es hatte damit aufgehört, dass sadie ihr wut an darius ausgelassen hatte, jude rausgefunden hatte, dass tommy sie betrogen hatte... ja^^ vlt wills ja noch jemand lesen^^
Es war dunkel, es war kalt und ich stand immer noch vor Jamies' Haustür. Ich hatte Darius blöd angemacht, obwohl er nichts für meine hässliche Laune konnte, ich hatte meine Schwester vergrault, weil ich ja unbedingt ihren Freund decken musste. Und nun hatte ich keine Ahnung, wo sie war. Die Panik kroch mir kalt den Rücken hoch. Wo war Jude nur? Mum hatte ich bereits mehrere Male angerufen, doch sie hatte ebenfalls keinen Schimmer gehabt. Dad hatte ich nicht erreichen können. Seit meinem Gespräch mit Tommy hatte ich auch nichts mehr von ihm gehört. Ich hielt es zwar nicht für möglich, dass Jude sich bei ihm nach dieser Sache gemeldet hätte, andererseits wusste ich nicht, wen ich sonst noch hätte anrufen können. Und da war wieder dieser Widerspruch in mir. Ich wollte weg von meinem nervenden “Harrison-Schwester”-Image, trotzdem kam der Beschützerinstinkt dauernd durch. Doch ich vergaß alles. Ich wollte nur wissen, wo sie war. Sonst war Tommy immer für Jude dagewesen, nun hatte er sie hintergangen. Ich wählte nervös seine Nummer. Erst nach dem sechsten Klingeln nahm er ab. “Ja?”, meldete er sich mürrisch. Meine Stirn legte sich in Falten. “Hier ist Sadie. Hat sie sich bei dir gemeldet?” Beim Sprechen ging ich zurück zu meinem Elternhaus. Der Produzent zögerte deutlich. “Nein. Ich denke, sie wird sich bei Jamie verkrochen haben.” Ich blieb vor der Haustür stehen. “Bei Jamie? Da war ich gerade. Er hat überhaupt keinen Plan. Er weiß gar nichts.” Zwei Personen kamen die Straße hinauf. Allerdings erkannte ich sie nicht in der Dunkelheit nicht, ich sah nur bloße Umrisse. Tommy wurde ebenfalls zunehmend nervös. “Was ist mit deinen Eltern?” Ich schlug mit der flachen Hand auf die Stirn. “Bei meiner Mutter hat sie sich nicht gemeldet. Meinen Dad konnte ich nicht erreichen.” Die beiden Gestalten kamen näher. Ich sah immer noch nichts genaueres. Aufgeregt drehte ich mich um, so dass ich wohl oder übel mit dem Rücken zu den ankommenden Gestalten stand. “So ein Dreck ... Tommy, was machen wir denn jetzt?” Er wusste natürlich keine Antwort. “Wir können doch wohl nur noch warten. Mach dich nicht verrückt, Sadie”, sprach er ruhig auf mich ein. “Ich weiß, dass das dumm klingt. Aber wir können doch nichts tun.” “Toll.” Niedergeschlagen seufzte ich. “Ich ... Warum passiert das immer mir? Tommy, du musst doch was –” Ich brach ab. Eine Hand hatte sich auf meine Schulter gelegt. Geistesabwesend drehte ich mich um. “Was ...?” Es war mein Dad. Neben ihm stand mit ausdrucksloser Miene Jude. Mein Vater nahm seine Hand von meiner Schulter. Er wusste wohl Bescheid. Mit einem schrecklichen Stich in meinen Gewissen erblickte ich etwas auf seinem Gesicht, dass ich dort nur selten gesehen hatte. Enttäuschung. Jude verschränkte in ablehnender Haltung die Arme vor der Brust. “Du hast jetzt noch den Nerv, mit Tommy zu telefonieren?”, warf sie mir verächtlich und verletzt zugleich an den Kopf. “Aber nein ... ich ... Jude, ich bin froh, dass du wohl auf bist. Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht ... und ...” Ich schaute sie beinahe hilflos an. Das Telefonat hatte sie sowas von in den falschen Hals gekriegt. Dad schüttelte verdroschen den Kopf. “Jude, lass uns bitte reingehen, Kleines”, sagte er leise. Doch sie blieb wie angewurzelt stehen. “Schon gut, Dad”, erwiderte sie mit fester Stimme. Sie schaute nicht ihn, sondern mich an. “Gehst du bitte vor?” Er kniff seine Augen zusammen, lief zwei Schritte und wandte sich dann wieder schlagartig um. “Aber nicht jetzt in die Haare kriegen, Mädels, verstanden? Ihr seid beide meine Kinder und ich will nicht, dass hier ... na ja ...” Er deutete mit den Händen auf jeweils eine von uns. Jude senkte den Blick. “Dad”, bat sie ein weiteres Mal nachdrücklich und äußerst ruhig. Ich umklammerte mein Telefon und sah mit an, wie mein Vater ins Haus verschwand. Meine Schwester streckte auffordernd eine Hand aus. “Du hast doch Tommy noch am Telefon, oder?” Ich schaute sie verloren an. “Ja ...” Sie hatte sich unter Kontrolle. Ich wäre in so einer Situation wahrscheinlich ausgerastet. “Würdest du dann auflegen?”, erkundigte sie sich mit trockenem Unterton. Dann würde er sich die ganze Zeit nur noch mehr Sorgen und Gedanken machen. Ohne zu zögern betätigte ich die Taste mit dem roten Hörer auf meinem Handy. “Hey, es tut mir Leid, wirklich”, ergriff ich benommen das Wort. “Er hat mich mit dieser Nachricht überrumpelt.” Jude war erwachsener, als ich dachte. Ihr Blick bohrte sich in meinen. “Es war nicht richtig. Aber das weißt du wohl, Sadie. Jedenfalls hat Tommy diesen Mist gebaut, nicht du. Trotzdem halte ich dich nicht gerade für eine ehrliche Person, verstehst du? Zwischen Tommy und mir war es ja immer schon kompliziert. Als du dich dann von ihm getrennt hattest, dachte ich, es wäre alles okay. Dann bist du mit Darius zusammen gekommen und für mich war endgültig alles in Ordnung.” Sie sprach klar und deutlich. “Ihr schient auch immer so glücklich zusammen.” Diese Worte kamen mir wahrlich nicht einfach über die Lippen. Ich musste plötzlich an Darius denken. Ja, ich war mit ihm liiert. Er war ein aufrichtiger, lieber, netter Mensch mit einer tollen Persönlichkeit. Aber liebte ich ihn? Hing ich nicht noch eher Tommy hinterher? Ich hätte mich verfluchen können. Jude rümpfte die Nase. “Ich habe Tommy heute gesagt, dass Schluss ist.” “Ich weiß”, entgegnete ich unüberlegt. Sie schaute mich aus ihren großen Augen an. “Woher? Hast du etwa schon mit Tommy geredet?”, wollte sie wissen. “Ach, stimmt ja, du hast ja gerade mit ihm gesprochen.” “Ja ... nein, ich ... Jude, ich weiß doch nicht, was ich machen soll”, stotterte ich verzweifelt vor mich hin. Ich konnte das nicht rechtfertigen. Es gab nichts zu rechtfertigen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stapfte meine Schwester in unser Haus. Schon wieder hatte ich dazu beigetragen, dass sich ein weiterer Stich in ihr Herz bohrte. Nun, es hatte sich also nichts geändert. Es war dunkel, es war kalt und ich stand immer noch vor meiner Haustür.
Mehrere Male probierte Tommy mich anzurufen, doch ich ignorierte diese Versuche. Ich sah mich gezwungen, zu einem Genussmittel zu greifen, um mich abzulenken. Es war also erst sieben Uhr frühs, als ich meinen ersten Cracker zu mir nahm. Es klopfte zaghaft an meine Tür. “Sadie? Bist du schon wach?”, flüsterte die Stimme meines Vaters. “Nein, bin ich nicht”, nuschelte ich. Währenddessen er die Tür öffnete, war ich damit beschäftigt, wie ein kleines Kind meine Crackertüte unter der Bettdecke zu verstecken. Mit einem verständnisvollen Ausdruck auf seinem vertrauten Gesicht spazierte er ein paar Schritte umher. “Na, alles klar?” Ich zupfte an meinen zerzausten Haaren herum. “Nein. Ehrlich gesagt, nein”, stellte ich nüchtern fest. Mein Vater nickte knapp. “Jude hat mir das alles erzählt. Sie kam gestern aufgelöst zu mir, weißt du.” “Ich mache mir Vorwürfe, Dad.” Ich konnte meinen Vater nicht anschauen. Doch er bückte sie zu mir herunter. “Ich weiß, Schatz.” “Ach ja?” Ich schluchzte wie ein kleines Mädchen. “Ich weiß gar nicht, wie es soweit kommen konnte.” “Ich weiß”, wiederholte mein Vater lächelnd. Ich lächelte traurig. “Nein, wirklich, Dad.” Er strich mir übers Haar. “Ich kenne meine Töchter. Und ihr seid das Wichtigste in meinem Leben, das weißt du.” Ich begriff nicht, worauf er hinaus wollte. Schweigend betrachtete ich das nachdenkliche Gesicht meines Vaters. “Dieser Kerl hat dir mächtig den Kopf verdreht, nicht wahr?” Ich boxte ihn in die Seite und grinste verstohlen. “Dad! Wie kannst denn du sowas sagen, Mann?” “Mensch, sieh den Tatsachen ins Gesicht.” Dad sah mich bekräftigend an. “Sadie...” Ich fühlte, wie eine Träne über meine Wange rollte. Und noch eine. “Aber es gibt da einen Unterschied. Es ist doch was völlig anderes, wenn man verliebt ist und wenn man jemanden tatsächlich liebt. Und ... ich weiß, dass Jude Tommy wirklich liebt. Und ...” Ich vergrub mein feuchtes Gesicht in meinen Händen. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich saß hier und heulte vor mich hin. Wollte ich nicht stark und unabhängig sein? “Dass verletzt dich”, beendete Dad den Satz mitfühlend. Er legte tröstend einen Arm um mich. Ich wischte die Tränen fort. “Ich bin doch verliebt. Sollte ich doch, oder? In Darius. Er ist nett, sehr nett, aber er ist nicht ...” Ich sprach meinen Gedanken nicht aus. Mein Vater blickte mich aufrichtig an. “Hör mir mal zu, ja?”, richtete er das Wort behutsam an mich. “Du sagst, dass Jude Tom tatsächlich liebt. Du bist dir aber nicht sicher, ob er sie auch liebt, stimmt's? Und ich sag dir eins, Sadie, jemand, der sich nicht zwischen meinen Mädchen entscheiden kann, hat keine von beiden verdient. Das habe ich auch Jude gesagt. Glaub deinem alten Herrn wenigstens einmal.” So kann nur ein Vater reden, schoss es mir durch den Kopf. Dad erhob sich mühselig. “Und jetzt? Alles klar, mh?” Er rang sich ein Lächeln ab und ließ mich allein.
Ich ging Tommy den ganzen Tag aus dem Weg. Dasselbe tat Jude mit mir. Sie hatte kein Wort mit mir gesprochen. Es war früher Nachmittag, als ich einen gelangweilten Blick in die Richtung von Darius' Büro warf. Ich traute meinen eigenen Augen kaum, als sich die Tür öffnete und als Erstes Jude, dann Nancy Bell und schließlich Darius das Büro verließen. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht schüttelte Darius der Agenturchefin die Hand. Jude verabschiedete sich mit einem zuversichtlichen Handschlag. Was war denn da los? Was hatte Jude denn auf einmal mit Nancy Bell zu tun und warum war Darius wieder hier? Darius' Blick schwenkte in meine Richtung. Sein Lächeln verwandelte sich in ein Strahlen. Er ließ Jude stehen und schloss mich in die Arme. “Wie geht's dir?”, hörte ich ihn liebevoll fragen. Ich schaute über seine Schultern hinweg und sah in Judes grimmiges Gesicht. Natürlich war sie noch sauer. Sie vermied es deutlich, mich anzuschauen. “Wo kommst du denn auf einmal her?”, fragte ich leicht iritierrt und löste mich aus der Umarmung. Darius machte eine wegwerfende Handbewegeung. “Ach, es gab nichts mehr zu klären. Was die da in London gemacht haben, war ziemlich unprofessionel. Jetzt ist alles wieder im Lot.” “Ah, toll.” Ich wies auf Jude, die sich aus dem Staub machte. “Warum war Nancy denn gerade da?” “Zufall.” Darius grinste mich an. “Guter Zufall. Ich habe Jude von den Fortschritten in England berichtet, und dann kam Nancy herein. Ich weiß nicht mal, ob sie was Bestimmtes wollte. Sie entdeckte Jude und war sofort begeistert. Sie will unbedingt eine Werbekampagne, die von ihrer Agentur gesponsort wird, mit ihr machen. Nancy war vor allem von ihrem Gesicht begeistert.” Da sprach der Geschäftsmann aus ihm. Aber – halt. War Nancy nicht erst von mir begeistert gewesen? Aber, klar, kaum sah sie Jude, verwandelte sogar sie sich in einen fanatischen Anhänger und bietet ihr gleich eine komplette Kampagne an. Ich bemerkte erst gar nicht, dass Tommy hinter mir vorbei lief, allerdings bemerkte ich, wie aufgebracht mein Freund auf ihn reagierte. Darius hielt seinen Produzenten an der Schulter fest. “Ich muss mit dir sprechen”, sagte er unvermittelt. Tommy war sichtlich überrascht. “Ach, du bist zurück?” In Darius' Gesicht machte sich Ernsthaftigkeit breit. “Ja, und jetzt ist es wohl auch wieder an der Zeit, gewisse Dinge unter Kontrolle zu bringen.” Tommy warf mir einen kurzen Blick zu, eh er sich wieder an Darius wandte. “Gut. Wann willst du mich sprechen? Ich muss erst mal kurz -” “Sofort”, unterbrach Darius ihn durchdringend. Dann sah er mich – nicht ganz so verschuldet – an. “Hast du grad was zu tun, Sadie? Wenn nicht, kannst du auch mitkommen. Vielleicht kannst du was zu unserer netten Diskussionsrunde beitragen.” Ich warf Tommy einen fragenden Blick zu, doch der zuckte nur mit den Schultern. Im Gänsemarsch ging es dann in Darius' Büro. Darius ließ sich in seinen angeberischen Chefsessel plumpsen. “Was veranstaltest du mit meinen Künsltern während meiner Abwesenheit, Quincy?”, fragte er im leicht amüsierten Ton. Tommy setzte sich mit nachdenklichem Blick auf einem Sessel links von mir und gegenüber von Darius. “Was meinst du?” Er fixierte Tommy verärgert. “Jude, einer meiner – ich betonte – besten Künstlerinnen, hat mich um fünf Minuten nach meiner Ankunft um ein Gespräch gebeten. Sie hat mir alles haarklein erzählt. Dass du mal wieder” – er suchte nach dem richtigen Wort – “schwach geworden bist. Davon wusste ich ja eh schon, da ich verhindert habe, dass diese Sache öffentlich wird, in dem ich diese Fotos aufgekauft habe. Wie du dir vorstellen kannst, wollte ich die Schlagzeile 'Ex-Boygroup-Star und das Supermodel' nicht gerade sehen. Immerhin sind wir grade an Judes neuem Album dran.” Tommy hörte ihm geduldig zu. “Ja, ich verstehe.” Seine Miene änderte sich nicht. Darius räusperte sich. “Kurz: Sie will einen anderen Produzenten.” Nun änderte Tommys Gesichtsausdruck sich schlagartig. “Wen denn?” “Das spielt keine Rolle. Fakt ist, dass du mit deinen privaten Geschichten alles in ein Chaos verwandelt hast. Du warst mit Jude zusammen, T. Es hätte keinen bescheuerten Zeitpunkt geben können, an dem du sowas veranstalten hättest können.” Darius lehnte sich zurück. “Sowas geht mich zwar nichts an, aber mittlerweile geht es hier ums Geschäft.” Tommy wurde zunehmend unwohler. “Ich weiß wohl, wovon du redest. Dass sie jetzt einen anderen Produzenten will, ist in gewisser Weise schon meine Schuld.” “Es geht um's Geschäft”, wiederholte Darius schließlich ernsthaft und schaute mich dann kurz an. “Dazu hast du meine Freundin mit reingezogen und wohl glatt übersehen, dass sie Judes Schwester ist.” Ich presste meine Lippen aufeinander. Tommy sah das wohl etwas anders. “Jetzt geht es wohl um deine Privatangelegenheiten, die mich nichts angehen.” “Richtig. Aber ich will solche Sachen nicht bei meinem Label sehen, verstehst du? Judes Single war ein Vorbote fürs Album. Und das soll jetzt bald kommen. Ich habe dir die Verantworung während meiner Reise übertragen. Und währenddessen bringst du eine meiner talentiertesten Sängerinnen dazu, die mitten in den Arbeiten zu ihrem neuen Album steckt, genau diese Arbeiten zu unterbrechen und einen neuen Produzenten zu verlangen.” Darius faltete seine Hände. “Sowas kann ich nicht tolerieren. Jude ist ziemlich mies drauf, um es nett auszudrücken. Dabei steht mittlerweile ihr Veröffentlichungsterim fest. Die Arbeit verzögert sich aber durch den Produzentenwechsel.” “Du hast also schon einen gefunden?” Tommy sank tiefer in seinen Sessel. Er wirkte total angespannt. Mein Freund richtete sich auf. “John Blanchard.” Tommy zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. Darius zog für einen Augenblick die Nase kraus. “Ich weiß. Du bist einer der Besten, aber ich kann dich einfach nicht mehr mit Jude arbeiten lassen. Sie will es zumindest nicht. John trifft morgen ein. Es geht einfach ums Geschäft, Tom. Ich hab dich für einen professionelen Produzenten gehalten.” “Ich weiß, dass es ums Geschäft geht, D.” Dieses Mal war Tommy verärgert. Darius ließ keinen Widerspruch gelten. “Und du ruinierst es gerade. Wenn Judes Platte unter deinen Taten leidet, wird das eher für dich Folgen haben.” Tommy nickte, als täte er somit die Sache ab, erhob sich und verließ Darius' Büro. Dieser blickte mich etwas zerstreut an. “Das musste wohl sein.” Ich nickte, wie es vor einigen Sekunden noch Tommy getan hatte. “Ähm, können wir später reden oder so? Ich hab noch einige Sachen zu tun.” “Okay.” Darius zuckte mit den Achseln. Ich stand einen Tick zu hastig auf. “Ich freu mich, dass du wieder da bist.” Ich drückte ihm einen Kuss auf. Vor seinem Büro schaute ich mich kurz um und entdeckte schließlich Tommy. Er hatte sich auf das Geländer gestützt und war nicht nur niedergschlagen, weil Jude einen neuen Produzent wollte, sondern wohl auch, da Darius ihm Unprofessionalität vorgeworfen hatte. Ich ging etwas zögernd auf ihn zu. “Hey.” Tommy schaute grimmig zu, wie eine Lieferung von CDs von zwei Praktikanten durch den Eingangsbereich vorbei an all den herumstehenden Menschen manövriert wurde. “Gibt es noch mehr schlechte Neuigkeiten bezüglich Jude?” “Nein. Sie hat einen Modeljob an der Angel, eine Werbekampagne. Läuft ja alles gut für sie.” Ich stütze mich auch auf das Geländer auf. Einen Moment herrschte Stille zwischen uns. “Hey, nimm dir nicht alles so zu Herzen”, versuchte ich vergebens, ihm einen Rat zu geben. Tommy erschien das Alles hoffnungslos. “Aber ausgerechnet Blanchard...” Ich schaute ihn an. “Woher kennst du ihn denn?” “Boyz Attack Zeiten. Ganz am Anfang hat er das mal produziert. Aber er ist schon nach kurzer Zeit ausgeschieden.” Tommy erwiderte nun meinen Blick. “Er war die letzten Jahre in Europa, soweit ich weiß.” “Europa?” Ich musste an meinen Europaaufenthalt, der auch schon eine Weile zurück lag, denken und wie ich danach Stress mit Tommy hatte. “Er ist also weit gekommen.” Er zuckte mit den Schultern. “Wie man's nimmt. Er hat nur mit ein paar Musikern gearbeitet. Aber dass er schon morgen hier auftauchen muss.” Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Es gibt bestimmt noch mal eine Möglichkeit, mit Jude zu reden. Da bin ich mir sicher.” War ich jedoch nicht. Tommy lächelte mir kurz zu. “Bis später.” Später an diesem Tag legte Darius noch einen drauf. John Blanchard würde vom Flughafen aus zu G Major kommen. Allerdings hatte er darauf bestanden, kein Taxi zu nehmen. Er wollte abgeholt werden. Tommy ließ nicht alles mit sich machen, allerdings hatte Darius ihm so ins Gewissen geredet, dass er sich bereit erklären musste, Blanchard abzuholen. Außerdem würden die beiden sich doch schon von früher kennen, hatte Darius gemeint. Zuhause wurde der elende Tage auch nicht besser. Jude ignorierte mich erfolgreich und verkroch sich dann in ihr Zimmer.
Miese Laune. Starker Regen. Schlechte Stimmung. Das war meine Prognose für den neuen Tag. Ich saß alleine in der Küche und schaufelte Corneflakes in mich hinein. Dabei musste ich daran denken, wie Jude mir noch vor kurzer Zeit vor dem Fernseher welche hatte andrehen wollen. Doch sie war schon früh los. Sie hatte sich von Dad zu G Major fahren lassen. Plötzlich klingelte es an der Tür. Und noch einmal. Ich stöhnte genervt auf, stemmte mich hoch und schlurfte zur Tür. Ich riss sie auf und starrte in Tommys Gesicht. “Was willst du denn hier?”, schnauzte ich ihn direkt an. “Jude ist nicht hier.” Er war komplett durchnässt. Seine Haare klebten feucht an seiner Stirn. “Hey. Ich wollte eigentlich mit ihr sprechen ... aber mein Auto ist auf einmal stehen geblieben.” “Wo ist es denn? Ich seh's nicht”, entgegnete ich schnippisch. Ich spähte hinter ihm in die Ferne. Überall sah ich nur diesen verfluchten Regen. Tommy blickte mich hilfesuchend an. “Ich muss doch zum Flughafen. Du weißt doch, wegen Blanchard. Kann ich mal kurz reinkommen?” Ich stellte mich in den Türrahmen. “Vergiss es”, grinste ich vergnügt. So sah ich Tommy Quincy immerhin nicht jeden Tag. Ein kurzes Grinsen huschte auch über seine Lippen. Doch dann blieb er ernst. “Ich muss wirklich zum Flughafen, Sadie”, verdeutlichte er. Ich überlegte kurz. “Na ja, soweit ich weiß, hat Jamies Vater letztens so 'nen alten Audi erstanden. Vielleicht kannst du den nehmen. Ich weiß aber nicht, ob er jetzt da ist. Du weißt ja, er ist total beschäftigt mit seinem Job und so.” Tommy zuckte nur mit den Schultern. “Dann gehen wir rüber? Ich muss in 'ner halbe Stunde da sein, sonst tritt mir Darius echt in den Arsch.” Ich grinste beiläufig. “Okay, einen Moment. Ich hol mir noch meine Jacke und – hey!” Eh ich mich versah, ergriff er meinen Oberarm und zog mich von der Türschwelle weg. Die Tür fiel ins Schloss. Ich befreite mich aus seinem Griff. “Was soll das?” Ich kniff verwundert die Augen zusammen. “Es regnet”, erklärte ich überflüssiger Weise. Das kühle Wasser prasselte auf meinen Körper. Ich wurde immer nasser. Tommy griente breit. “Du hast dich auch daran erfreut, wie ich wie ein begossener Pudel hilflos vor deiner Tür stand, Sadie.” Ich verdrehte halbwegs lächelnd die Augen. “Es ist total kalt.” Wir stapften zu Jamies' Haustür und Tommy drückte ungeduldig auf die Klingel. “Ich glaub, du hast Recht. Es wird immer kälter ...”, musste er einräumen. Noch einmal betätigte er die Klingel. Ich hörte kein Geräusch und es reagierte auch niemand. Ich klopfte kurzerhand gegen die Tür. “Er muss doch da sein”, flehte ich. Ein weiteres Mal hämmerte ich gegen die Türe. “Jamie?”, rief ich. Niemand öffnete. “Darius hat Jamie doch frei gegeben”, erinnerte Tommy sich. “Weil er doch angeblich so viel Stress in den letzten Wochen hatte.” Ich wusste, dass meine Haare nun schlaff an meinem Kopf hafteten. Diesen Gedanken fand ich unausstehlich. “Mann, wenn du mich da nicht weggezogen hättest, hätte ich jetzt meine Jacke. Dann würde ich jetzt wenigstens nicht frieren”, nörgelte ich. “Du hast Probleme.” Tommy grinste mich nur an. “Ich muss zum Flughafen, mehr nicht.” Er ballte die Hand zur Faust und donnerte gegen die Tür. “Jamie, mach auf!” Und ein paar Sekunden später wurde die Tür geöffnet und Jamie stand hellwach vor uns. Klar, kaum wollte ich, dass er aufmachte, reagierte er nicht. Aber wenn Tommy es ein einziges Mal probiert, reißt er die Tür sofort auf. Was ist denn das für eine Logik? “Guten Morgen.” Jamie musterte uns. “Wie seht ihr denn aus?” “Ich hab jetzt keine Zeit. Ich muss zum Flughafen und mein Auto hat 'ne Panne”, erläuterte Tommy knapp die Lage. “Steht dieser Audi zur Verfügung?” Jamie griente. “Dieses Schrottteil? Ich weiß nicht mal, ob der ein paar Meter schafft.” “Bitte, Jamie”, bat ich. Ich vermutete, dass er keine Ahnung hatte, was Tommy Jude angetan hatte. Jamie war zwar schon immer voreingenommen gegenüber Tommy gewesen (zugegeben lag er manchmal mit seinen Vorurteilen gar nicht so falsch), hatte aber schließlich akzeptiert, dass die beiden zusammen ... gewesen waren. Jamie drehte sich auf dem Absatz um und kehrte einen Augenblick später mit dem Schlüssel in der Hand zurück. “Ihr könnt's zumindest versuchen, denk ich. Aber auf eure Verantwortung! Die Karre steht an der Straßenecke.” Tommy nahm den Autoschlüssel entgegen. “Danke, Mann.” Jamie seufzte, verabschiedete sich auf einmal mit einem “Man sieht sich” und schloss die Tür. Tatsächlich wirkte er verspannt und müde. Einen freien Tag hatte er sich wohl verdient. Tommy umschloss den Schlüssel mit der Hand. “Also, bis dann –“ “Warte”, fiel ich ihm anklagend ins Wort. “Wo soll ich jetzt hin? Ich hab keinen Schlüssel und es ist keiner zuhause. Soweit ich weiß, bist du daran Schuld. Außerdem ist mir verflucht kalt.” Er wollte sich nicht mit meinen banalen Schwierigkeiten aufhalten. “Wer hat denn einen Schlüssel?” Mir fiel nur eine Person ein. “Jude. Und die ist bei G Major.” Ich hätte mir die Haare raufen können – was ich natürlich nicht tat, da mein Haar sonst noch bescheuerter ausgesehen hätte. “Wie soll ich da hinkommen? Toll gemacht, Tommy.” Ja, ich war zickig. Aber hatte ich nicht das Recht dazu? Ich gab Tommy die Schuld, dass ich nun ebenfalls wie ein begossener, hässlicher Pudel aussah. Tommy warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die Jude ihm letztens geschenkt hatte. Ein schönes schwarzes Teil. “Ich brauch mindestens zwanzig Minuten bis zum Flughafen ...” “Du trägst die Uhr? Jude hat gesagt, dass du sie hässlich fandest”, bemerkte ich. Er ignorierte meinen Kommentar erfolgreich. “Du kommst schnell mit, okay? John muss ich doch auch zu G Major kutschieren.” Ich ließ meine fröstelnden Hände in meinen Hostentaschen versinken. “Na gut, wenn du meinst”, willigte ich miesepetrig ein.
Zehn Minuten später fand ich mich auf dem Beifahrersitz des klapprigen Audis wieder. Tommy war heilfroh gewesen, als der Wagen nach fünf Minuten Zettern endlich angesprungen war. Ich weiß nicht, wie viel er nun zu schnell fuhr. “Wie du über diesen Blanchard redest, scheint er kein netter Typ zu sein”, versuchte ich, ein Gespräch anzufangen. Tommy bog nach links ab. “Tja, er war damals so lange nett zu uns, bis wir aufhören wollten, seine sinnlosen Songs zu trällern.” Ich neigte den Kopf. “Du hältst also nicht viel von ihm.” Er versuchte, unvoreingenommen zu klingen. “Zu ihm kam nicht viel sagen. Er ist ein alter Hase im Geschäft und wird von Leuten wie Darius aufgrund seiner Erfahrung hoch geschätzt. Aber die übersehen wohl, dass er immer nur die gleichen Lieder produziert. John Blanchard ist eben... John Blanchard.” “Mh”, machte ich nur und schwieg. “Ich wollte damit jetzt nicht sagen, dass Darius auf solche Leute festgefahren ist”, lenkte Tommy schnell ein. Ich schaute ihn an. “Ich hab gar nichts dazu gesagt”, lächelte ich. “Und ich werde Darius bestimmt nicht petzen gehen, was du über ihn sagst – wenn du denn über ihn reden solltest.” Er nickte. “Sag mal, das Ganze zwischen euch ... das geht ja jetzt schon eine Weile.” Daraufhin nickte ich dieses Mal. “Ja.” Tommy fiel es recht einfach, über dieses Thema zu sprechen. “Sadie, das hört sich jetzt vielleicht seltsam an, wenn ausgerechnet ich sowas sage, aber es freut mich wirklich, wenn du glücklich bist.” Ich dachte über seine Worte nach. Glücklich? War ich das mit Darius? Ich schaute links zum Fenster hinaus und erblickte nur eine öde Landschaft. “Ähm, danke.” Meine Hose fühlte sich an, als wenn ich in sie eingeschneidert worden wäre. So eng hatte sich der Stoff zusammen gezogen. Ich hatte das Gefühl, irgendetwas sagen zu müssen, um die Atmosphäre aufzulockern. “Das muss ein komisches Bild sein.” Mist. Tommy bremste und das Auto hielt vor der roten Ampel. Deshalb richtete er seinen Blick kur irritiert auf mich.”Welches Bild?” “Wie wie hier völlig nass in so 'nem alten Audi hocken.” Unweigerlich musste ich grinsen. Tommy schmunzelte. “Das hab ich fast vergessen.” Er trat das Gaspedal durch. Ich verschränkte amüsiert die Arme. “Tommy, was wird Blanchard dann wohl von dir denken? Wenn du völlig nass zusammen mit einer völlig – ebenfalls durchnässten – Fremden da auftauchst? Dass du schwimmen warst?” Tommy erwiderte mein Lächeln. “Andere Frage: Was wird er von dir denken?”
Der Flughafen war überfüllt von wartenden, schimpfenden sowie gelangweilten Menschen, die entweder ihre Koffer suchten, gerade fanden, sie schleppten oder in ihnen herumwühlte. Zu diesen Personen zählte John Blanchard jedoch nicht. Kaum, dass wir in den Eingangsbereich traten, steuerte der Produzent direkt auf uns zu. Ich hatte ihn mir ganz anders vorgestellt – nämlich beispielsweise als alten Schnösel mit Vollbart, der perverse Witze riss. Doch Blanchard war erst Anfang dreißig und hätte mit seinem Gesicht glatt Werbung für Rasierwasser machen können. Die Werbeleute suchen genau solche Männer dafür. Mit seinen stahlblauen Augen und den vollen Lippen wirkte er eigentlich sehr symphatisch. Die kurzen rabenschwarzen Haaren hatte er seltsam nach hinten gekämmt. Das Einzige, was John Blanchard bei sich hatte, war ein schwarzer Rucksack. Mit einem gütigen Lächeln auf dem Mund, das seine strahlend weißen Zähne entblöste, blieb er vor uns stehen. “Tommy, schön, dich zu sehen”, begrüßte er Tommy angemessen freundlich. Er besaß eine beruhigende Stimme. Dagegen war bei Tommy die Freude verständlicher Weise nicht ganz so groß. Immerhin nahm Blanchard nun den Platz als Judes Produzent ein, der sonst nur Tommy gehört hatte. Blanchard warf einen kurzen Blick auf mich und zwinkerte Tommy zu. “Sag nichts. Guten Geschmack hattest du in dieser Richtung zumindest schon immer.” Tommy tolerierte sein Gesagtes. Dazu war ich allerdings nicht bereit. Ich öffnete bereits meinen Mund, um Widerspruch einzulegen, doch genau in diesem Moment griff Blanchard nach meiner Hand und schüttelte sie kräftig. “Freut mich, Sie kennen zu lernen. Ich bin John Blanchard.” Der Mann war wirklich selbstsicher. “Sadie Harrison”, entgegnete ich energisch. Blanchard ließ meine Hand los. “Schöner Name, wirklich.” Tommy räusperte sich. “Dann lasst uns fahren.” Blanchard stolzierte grinsend los. “Lasst mich raten – hier regnet es natürlich, nicht wahr?” Im Auto schien die Luft immer dünner zu werden. Auf das Bedrängen von Blanchard hatte ich mich auf den Beifahrersitz gesetzt, währenddessen er sich auf der Rückbank breit machte. Ich warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Blanchard hatte sich nicht einmal angeschnallt. “Wo ist denn Ihr ganzes Gepäck?” Er lächelte und zeigte so wieder seine Zähne. “Ich hatte keine Lust, so viel mitzunehmen. Meine Tasche reicht voll und ganz aus. Ich werde heute noch ein paar Sachen einkaufen gehen. Wissen Sie, in Europa ist das ja alles viel unkonventioneller.” “Ich war auch mal für kurze Zeit in Europa”, warf ich ein. Blanchard hörte interessiert zu. “Toll da, stimmt's?” Ich nickte. Tommy schwieg und starrte nur auf die Fahrbahn. So kannt ich ihn gar nicht. “Darius erzählte mir, du hättest irgendeinen Mist gebaut, Tom.” Blanchard war sich für nichts zu schade. “Ich bin nicht darauf versessen zu erfahren, was es ist.” Tommy verkniff sich, etwas zu sagen. Doch Blanchard war in Redelaune. “Miss Harrison, erlauben Sie mir doch eine Frage.” Ich sank in meinen Sitz zusammen. “Nur zu”, murmelte ich. “Warum begleiten Sie Tommy?” Blanchard war wirklich interessiert. Ich wusste nicht, was ihn das anging. Ich kannte diesen Mann doch erst einige Minuten. “Das hat keinen bestimmten Grund”, wich ich aus. Blanchard wies mit dem Finger erst auf mich, dann auf Tommy. “Ach, ich dachte ihr seid ...” Tommy schaute erst mich an, dann genervt in den Rückspiegel. “Nein, John.” Dieser stellte sogleich eine richtige Vermutung an. Mit einem leichten Grinsen verkündete er: “Ah, dann wart ihr zumindest mal zusammen.” “Das kann sein.” Ich war allmählich echt genervt und reagierte dem entsprechend. “Und wenn es Sie so sehr interessiert: Ich bin vergeben und Tommy ... war es bis gestern auch. Reicht Ihnen diese Auskunft?” “Stress mit den Frauen, das kennen wir ja aus den guten alten Zeiten.” Alt eingessen grinste Blanchard in sich hinein. Er kannte mit Sicherheit einige Geschichten, die ich nicht hören wollte. “Mir reicht diese Auskunft schon, trotzdem habe ich dann noch eine Frage. Wer ist denn der Glückliche?” Tommys Gesichtsmuskeln spannten sich an. Dieser Typ war ja auch anstrengend. “Darius”, antwortete er kurz angebunden. Blanchard mochte zwar relativ gut aussehen, aber so symphatisch wie auf den ersten Eindruck war er mir nun nicht mehr. “Darius? Aha, interessant. Bin gespannt, wie es ihm so ergeht. Sag, Tommy, ist das hier eigentlich dein Auto?” Konnte er nicht einfach mal den Mund halten? “Nein. Jedenfalls würde ich mich jetzt sehr gerne aufs Fahren konzentrieren”, erwidert Tommy förmlich.
Jack: "Ich hab einen Kompass, der nicht nach Norden zeigt." James: "Was in diesem Fall kaputt heißt." Jack: "Er ist nicht kaputt. Er ist eben... anders."
Jamie: It's like we died and woke up in a Snoop Dogg video.
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