RE: Jommy- I'm not okay

Kapitel 150

Die nächsten Wochen verbrachte Jude zu Hause und versank in ihrem Selbstmitleid. Stundenlang lag sie auf der Couch und kümmerte sich um nichts. Wenn abends Sadie und Stuart von der Arbeit wiederkamen, fanden sie Jude oft schlafend vor oder sie hing einfach nur auf der Couch, der Kopf hing an der Seite rum. Die ersten Male eilte Sadie immer besorgt auf ihre Schwester zu, denn sie traute ihr zur Zeit durchaus zu, sich etwas anzutun. Doch mit der Zeit entwickelte sie Gleichgültigkeit gegenüber Judes Zustand.

"Jude? Ich bin wieder da!", rief Sadie mehr aus Gewohnheit; schon lange erwartete sie keine Antwort mehr aus dem Wohnzimmer. Doch als sie dieses Mal einen Blick in den Raum warf, lag Jude nicht auf, sondern neben dem Sofa. "Jude!" Sadie stürmte auf sie zu, während Jude sich krümmte. Ihre Haare hingen ihr wirr im Gesicht und sie hielt eine Hand auf ihren Bauch gepresst, während sie mit verzerrtem Gesicht Sadie anschaute. "Sade...das Baby..." Sadie verstand. Sie hievte Jude hoch und stützte sie auf dem Weg zum Auto, so gut es auf den Pumps und mit Judes ganzem Gewicht auf den Schultern. Doch schließlich hatte sie es geschafft und schlug schnell die Autotür zu, bevor sie auf die andere Seite stürmte und selbst einstieg.
Während sie fuhr, warf sie immer wieder Blicke neben sich, wo Jude noch immer hing und zwischendurch ein Wimmern von sich gab. Sadie konnte sehen, wie sehr sie sich anstrengte, um ihre Schmerzen vor ihr zu verbergen, obwohl sie doch wissen musste, dass ihre eigene Schwester sah, wie sehr sie litt. Denn dafür sprachen nicht nur ihre Zähne, die sie in ihre aufgerauten Lippen grub.
Endlich kamen sie an und das ganze ging wieder von vorne los. Doch nachdem sie gut die Hälfte der Eingangshalle durchquert hatten, kamen zwei kräftig aussehende Krankenpfleger auf sie zu und nahmen ihr Judes Last ab. Kurz schwankte Sadie, bevor sie sich wieder fing und mit erheblich leichteren Schritten aufmachte, Jude zu folgen. Sie machte sich Sorgen. Große Sorgen. Doch als ihre Schwester anfing, nach ihr zu rufen, drängte sie diese, so schwer es auch war, in den Hintergrund und griff nach Judes Hand. Sie kniete sich neben das Bett und fing einfach an zu reden. "Jude, du schaffst das, okay? Wir schaffen das zusammen. Es wird ganz leicht gehen, du wirst schon sehen!" Doch als sie in Judes schmerzvolles Gesicht sah, dessen Augen sie ungläubig ansahen, fragte sie sich, ob sie nicht ein wenig zu dick aufgetragen hatte.

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"Tommy!" Ihre Stimme traf ihn völlig unvorbereitet. Warum rief sie an? Und wieso hatte er nicht gewusst, dass sie es war? Die Antwort konnte er sich kurz darauf selber geben: Er kannte die Nummer nicht, die auf seinem Display stand. "Was gibt's?", fragte er wenig geistreich und ein wenig schroff. "Eigentlich nichts Besonderes. Ich dachte nur, ich rufe mal an, um dir zu sagen, dass deine Frau soeben euer gemeinsames Kind zur Welt gebracht hat. Das war's auch schon..." Sadie verstummte und Tommy schluckte. Seine Frau. Jude! Kind...Oh mein Gott! Er war Vater. Unwillkürlich spürte er, wie Aufregung in ihm aufflammte. "Wow! Ich weiß nicht, was ich sagen soll!" Er hörte sie am anderen Ende der Leitung ironisch auflachen. "Wie wärs mit ein paar Fragen? Aber so etwas Anspruchsvolles traue ich dir im Moment nicht zu, nimm es mir nicht krumm. Also, um es kurz zu machen: Es ist ein Junge. Und Jude hat vor, ihn wegzugeben!" Ein Klicken in der Leitung, dann dieses verhasste Tuten.
Sie wollte ihn weggeben? Wohin denn? Und warum? Wieder so eine geistreiche Frage, die er sich hätte sparen können. Warum denn wohl! Er konnte es sich nicht erklären, dieses Ziehen in der Brust, wenn er an Jude dachte und das Herzklopfen, wenn er daran dachte, dass Jude ihren, seinen Sohn weggeben wollte.
Ohne weiter nachzudenken, wählte er. Erst als sich Judes matte Stimme meldete, tat sein Verstand dasselbe. "Jude..." und dann versagte ihm die Stimme. "Wie geht es...?", setzte er erneut an, doch das Schluchzen am anderen Ende unterbrach in wieder. "Jude warte...Nicht!" Tuuut.

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Wieso konnte er sie denn nicht in Frieden lassen? Reichte es denn nicht, dass sie wegen ihm schon wieder in einem sterilen Raum frei von jeder Unordnung lag? Sie, die das Chaos liebte? Anscheinend nicht. Offensichtlich wollte er ihr noch einmal einen kleinen Stoß versetzen, indem er hier anrief und fragen wollte, ob es ihr gut ging. Sie konnte es nicht fassen!

Die Stunden verstrichen und Jude war immer noch müde. Und doch konnte sie nicht schlafen. Sie war viel zu aufgewühlt. So lange war es her, dass er sich zuletzt gemeldet hatte...jetzt, wo sie darüber nachdachte, hatte er sich kein einziges Mal gemeldet, seit er einfach so verschwunden war und ihre Koffer netterweise im Krankenhaus gelassen hatte. Es war doch klar gewesen, dass es wieder so kommen würde. Wie hatte sie nur glauben können, dass sich durch dieses alberne Ringe-austauschen-und-ewige-Treue-schwören irgendetwas ändern würde. Und jetzt, wo es schon so lange her war, wo sie es doch eigentlich hätte überwinden müssen, zog er sie mit einem einzigen Anruf immer noch so runter. Sie konnte es nicht fassen.
Wütend schwang sie ihre Beine über die Bettkante und richtete sich leicht schwankend auf. Sie hielt sich fest und wartete, bis der Schwindel vorüber war und sie einen weiteren Schritt machte. Sie verließ das Zimmer und wanderte den dunklen Gang hinab. Ihre Haare waren mit einem Gummi locker zusammen gebunden und sie war des trotz des noch etwas gerundeten Bauches sehr mager. Sie lief barfuß und hielt ihre Augen auf den Boden gerichtet.
Als sie den Blick wieder hob, brauchte sie einen Moment, um sich zu orientieren. Ihr stockte der Atem, als sie hinter der Scheibe die ganzen Babys sah. Und als ihr einen Moment später klar wurde, dass auch ihr kleiner Sohn hier irgendwo liegen musste. Aber wo? Ihr Blick schweifte über die ebenfalls sehr steril ausschauenden Bettchen, und erst kurze Zeit später realisierte sie, dass sie ihn wohl kaum von hier aus finden würde.
Bevor sie jedoch entscheiden konnte, was sie als Nächstes tat, riss sie eine sanfte Stimme aus ihren Gedanken. "Kann ich Ihnen helfen?" Sie schüttelte schnell den Kopf, doch als sich die Schwester schulterzuckend umdrehte, meinte sie eilig. "Doch. Warten Sie bitte. Ich möchte zu meinem Sohn." Mein Sohn. Es fühlte sich seltsam an, diese Worte aus ihrem eigenen Mund zu hören. Die Schwester lächelte sie an. Sie schien die Tatsache, dass Jude mein Sohn gesagt hatte, nicht außergewöhnlich zu finden. "Wie heißt er denn?", fragte sie freundlich und brachte Jude damit in Verlegenheit. "Ehrlich gesagt...", sie stockte. "Schon klar. Ich meinte den Nachnamen." Erleichtert atmete Jude aus. "Harrison. Er heißt Harrison." "Okay. Kommen Sie mit! Wie alt ist er?" "Er wurde heute geboren." Die Schwester nickte wieder. "Okay. Dann schauen wir mal. Harrison...", murmelte sie. "Ah, da. Der Kleine hier. Ich lasse sie alleine, okay?" Jude nickte und trat näher an das Bettchen heran. Überwältigt schaute sie auf den Kleinen herab und sie wurde sich in dem Moment bewusst, dass sie ihn niemals würde abgeben können.

soo..^^